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Wanderung durch die Highlands

Bild des Benutzers moritz
Gespeichert von moritz am/um 19. September 2019 - 16:48

Etwa eine Woche lang durchstreifte ich mit einer Freundin die schottischen Highlands über den Westhighland Way. Von Glasgow aus ging es erst für kurze Zeit mit einem Zug in das kleine Örtchen Milngavie (sprich: Milgaii) bzw. auf gälisch Muileann Dhàibhidh, danach per pedes etwa 160 Kilometer bis Fort William bzw. An Gearasdan. Auf dem Weg trafen wir nur auf wenige Menschen, mit denen eine Kontaktaufnahme lohnenswert erschien (die meisten waren deutsche Klischee-Touristen wie die, vor denen bereits Kurt Tucholsky vor etwa 100 Jahren warnte). An einigen Abenden, als wir am Lagerfeuer von mir eigenhändig erlegte Schafe, Ziegen und Rehe brieten, gesellten sich jedoch einige Clansmen (nicht die mit den weißen Kaputzen) zu uns und lauschten fasziniert den Geschichten über die Mannschaft (sgioba) des FC Porno Villa (Stiùireadh Villa) und ihren im Umgang mit Heilpflanzen überaus versierten trèanair. Es dauerte nicht lange, bis die Highlandkrieger aufgrund der offenkundigen Parallelen zwischen ihnen und uns voller Sympathie waren und am Ende des Urlaubs allesamt als Anhänger des FCP gewonnen werden konnten - wodurch, nebenbei, bisher blutig ausgetragene Stammesfehden ad acta gelegt und eine Einigung der rivalisierenden Clans herbeigeführt werden konnte. Zum einen betonten die Krieger mir gegenüber, dass die von mir berichtete Gastfreundschaft an der Engelsburger Straße (Sràid caisteal aingeal) gegenüber gegnerischen Teams und Schiedsrichtern ("Wir begrüßen den Schiedsrichter und den Gegner mit einem schönen 'Guten Tag'") ganz ähnlich dem Ehrenkodex der Hochlandbewohner sei, wonach die Verletzung oder gar Ermordung von Gästen (selbst wenn sie Feinde sind) innerhalb der eigenen Mauern streng untersagt ist (für einen eklatanten historischen Verstoß gegen dieses ungeschriebene Gesetz vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Glencoe). Auch erinnerten meine Erzählungen über den trèanair die bärtigen Rockträger an eigene historische Anführer wie etwa William Wallace oder Rob Roy, deren Geschichten leider der Mythenmaschine Hollywood (bzw. dem Rassisten sowie Juden- und Schwulenhasser Mel Gibson) zum Opfer gefallen sind. Natürlich bemerkten die Schotten zugleich, dass unser Anführer deutlich konsensualer zu herrschen beliebt, als die Haudraufs Wallace und Roy, was dem Respekt, den die Hochlandkrieger dem FCP und dem trèanair seitdem zollen, jedoch mitnichten abträglich war. Das dürfte v.a. damit zu tun haben, dass sowohl die Clansmen als auch wir immer wieder versuchen (müssen), aus wenig (Geld, zuweilen Personal und Talent, quasi unseren Waffen) viel (spielerisch und körperlich überlegene Mannschaften bzw. England besiegen) zu machen. Bei den Gesprächen bei Ale und Fleisch am Lagerfeuer wurde also erneut unterstrichen, dass Underdogs, die mit Stil zu scheitern pflegen und dabei eine gute B-Note bzw. Haltung an den Tag legen, am Ende des Tages zwar ein Spiel verlieren (bzw. im Auftrag des englischen Königs fast zu Tode gehängt, dann lebend kastriert und ausgeweidert werden, während die entfernten Körperteile und Innereien vor den Augen des Verurteilten und der Zuschauer verbrannt werden) können, dabei aber trotzdem die Sympathieträger der Weltgeschichte sind. Achja: Nur der Umstand, dass bei uns auch Frauen (boireannaich) mitkämpfen können, irritierte die Tartan-Enthusiasten sehr. Als ich ihnen daraufhin vorschlug, eine Gleichstellungsbeauftragte zu wählen, mussten wir plötzlich ganz schnell abreisen, da unser Zug kam. So war es leider nicht möglich, das Ganze in einem herrschaftsfreien Diskurs (Habermas) zu Ende zu diskutieren. Schade!